Chronik 1993 - Freunde und Förderer der Ev.-Luth. Kirche in Lauenburg/Elbe e.V.

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Chronik 1993

Jahrelanger Wirbel um Turmspitze

Ein Stück turbulenter Kirchengeschichte:
Lauenburg. Der neue Kirchturm thront jetzt schon knapp 250 Tage über der Altstadt. Am Pfingstsonntag wird er offiziell eingeweiht. Der Kupferspitze sieht man nicht an, welchen Wirbel sie in den letzten Jahren unter den Lauenburgern ausgelöst hat. Gegner hielten den Turm für reine Geldverschwendung, Befürworter als Lauenburgs Wahrzeichen für unverzichtbar.

Schon in den 50er Jahren wollte Bürgermeister Richard Reuter den alten Spitzturm wiederhaben. Hermann Grotkast vererbte der Kirche 1956 gar Haus und Grundstück mit der Auflage, den Verkaufserlös für den Wiederaufbau zu verwenden. Und Architekt Ulrich Flörke entwarf zu dieser Zeit neue niedrigere Turmmodelle - die alte 58 Meter hohe Spitze war ihm zu hoch. Pastor Bahr suchte in seinem Brief vom 9. Februar 1954 Rat beim Architekten Jäger in Hamburg (PDF, 1.138 kB). Geldmangel ließ alle Pläne scheitern. Im Laufe der Jahre arrangierten sich die Lauenburger mit ihrem stumpfen Turm. Diskussionen über den Wiederaufbau kamen nur sporadisch, meist bei älteren Bürgern, auf. Erst Mitte der 80er Jahre kam das Thema durch den damaligen Bürgermeister Hauke Matthießen wieder auf den Tisch.

Nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des Vereins „Freunde und Förderer der Evangelischen Lutherischen Kirche in Lauenburg“ 1987 setzte sich auch Hans-Jürgen Boisen vehement für die neue Kirchturmspitze ein und präsentierte gleichzeitig eine Liste mit 400 Unterschriften von Turm-Befürwortern.

Auch der Kirchenvorstand sprach sich noch im selben Jahr für den Wiederaufbau aus. Aus allen Teilen der Republik gingen Spenden ein.

Nur der Magistrat mochte nicht mitziehen. Er weigerte sich im Oktober 1988, den Wiederaufbau in die Prioritätenliste der Städtebauförderung aufzunehmen. Boisen: „Durch das Ausbleiben der öffentlichen Förderung hat eine Düsseldorfer Stiftung ihre Spende von 50.000 Mark zurückgezogen.“

Aber die „Turmliebhaber“ gaben nicht auf. Der Förderverein hatte beim Kirchturmpoker bald wieder ein gutes Blatt. Der Evangelische Kirchenbauverein von 1890 zu Berlin sagte 1991 eine Spende von 100.000 Mark zu.

Doch nun wollte der Kirchenvorstand nichts mehr von dem spitzen Turm wissen. Bei einer Abstimmung im Februar 1991 sprach man sich mit einer Stimme Mehrheit gegen den Wiederaufbau aus. Massive Proteste des Fördervereins hatten zur Folge, dass sich der Kirchenvorstand im April auf einer Sondersitzung erneut mit dem Turm befasste. Ergebnis: Gegen die Stimmen der drei Pastoren sprachen sich neun der 17 Mitglieder durch Unterschrift für den umstrittenen Turm aus. Auf einer erneuten Sitzung wurde mit 13 Ja-Stimmen beschlossen, den Bauantrag einzureichen. Im Juni vergangenen Jahres entschied der Kirchenvorstand, sich am Turmbau mit knapp 47.000 Mark zu beteiligen.

Es hagelte Proteste. Kirchenvorsteherin Renate Kock verteilte Flugblätter mit der Aufschrift „Kirchensteuerverschwendung! Ich protestiere!“ Einige Lauenburger veröffentlichten ihre Kirchenaustritte durch Anzeigen in Zeitungen. Viele Turmgegner machten ihrem Ärger durch Leserbriefe an die lokalen Printmedien Luft. So schrieb Dr. Bernhard Donndorf: „Wie kann eine Kirchenleitung guten Gewissens vor ihre Gläubigen treten, wenn das Geld auf diese Weise zum Fenster heraus geschmissen wird?“ Auch die Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten kritisierte, dass das Geld sinnvoller für soziale Zwecke ausgegeben werden sollte. Pastor Jens Rathjen dagegen: „Die Leute vergessen, dass die Spenden zweckgebunden sind und nicht für etwas anderes ausgegeben werden können.“

Durch den Bauboom nach der Wiedervereinigung haben sich die damals veranschlagten Baukosten von 310.000 Mark verdoppelt: Turmschaft und Turmhelm kosten rund 645.000 Mark. Den größten Brocken von 267.000 Mark hat das Nordelbische Kirchenamt übernommen, der Kirchenkreis Herzogtum Lauenburg bezahlt 155.000 Mark, und der Förderverein gibt 175.000 Mark an Spendengeldern hinzu. Die Gemeinde muss 48.000 Mark berappen. Allerdings müssen aus dem Gemeindesäckel noch einmal knapp 60.000 Mark fließen, um die Erneuerung des kleinen Turmes und der Uhr zu bezahlen. In ein paar Jahren, wenn Gras über die Sache gewachsen ist und sich Grünspan am Kupferdach des Kirchturmes gebildet hat, werden die Streitereien um den Turmbau zu Lauenburg nur noch Anekdoten sein.

Eine Kassette mit alten Unterlagen vom Turmbau 1902 und Schriftstücken, die Lauenburg in diesem Jahrhundert und den Bau der neuen Turmspitze dokumentieren, wird um 15 Uhr im Kirchturm eingemauert. Danach folgt der Gottesdienst, der jedoch ohne besondere Weihehandlungen für den acht Monate jungen Helm stattfindet. „Ein neuer Altar oder eine Orgel werden geweiht, aber kein neuer Turm“, so Pastor Jens Rathjen. Im Anschluss an den Gottesdienst können Interessierte noch mit in das Martin-Luther-Haus in der Grünstraße 13 gehen. Dort werden, bei gemütlicher Kaffeetafel, Videos und Fotos zum Turmbau gezeigt.
Mit diesem einfachen Faltblatt warb der damalige Vorsitzende Hans-Jürgen Boisen um Spenden (Außen- und Innenseite)
Über Jahrzehnte ein vertrauter Anblick: der Turm mit dem stumpfen Notdach (Foto: Stadtarchiv Lauenburg, Bestand Schönau)

Dieser Text ist zitiert aus dem Buch: „Chronik der Stadt Lauenburg/Elbe“, 3. Auflage Dezember 1993, Seite 120 ff., Titel dort: „Pfingstsonntag 1993 ist Einweihungsfeier“, von Sabrina Lincke

Der Pressetext mit dem Titel „Turmbau abgesagt“ (PDF, 60 kB) erschien 1991 in der großen deutschen Wochenzeitung „DIE ZEIT“.

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